ÜBER MICH

Als kleiner Junge habe ich fast alles gesammelt. Dabei kamen und gingen die Interessen. Meist bleibt es bei kleinen Ansammlungen, die sich mit der Zeit wieder auflösten. Übrig blieb eine Sammlung, der ich seit 1978 treugeblieben bin: Fotografische Selbstauslöser.

Der Auslöser

Mein Vater kaufte sich in den 50er Jahren seine erste Kameraausrüstung: eine Agfa-Isolette, ein Blitzlicht, einen Sixtus-Belichtungsmesser und einen hydraulischen Selbstauslöser der Serie Direkt. Als diese Isolette dann auch meine erste Kamera werden sollte, war der Direkt verschwunden. Für mich war dies der Auslöser, etwas Adäquates zu finden.

Die beste Adresse in Berlin war dafür der Krempelmarkt auf dem damals noch nahezu unbebauten Potsdamer Platz. Wie heute in den Geschäften drängelten sich am selben Ort Tausende von Menschen zum Gucken und Kaufen. Bei einer Auswahl von etwa einem halben Dutzend Aufzieh­werken wählte ich einen schwarz lackierten Favorit-Boxauslöser für zwei Mark und freute mich über den kleinen Racker, auch wenn es kein Direkt war.
Ein paar Tage später entdeckte ich bei einem benachbarten Trödelhändler einen großen vernickelten Zeitauslöser. Er hatte verschiedenen Einstellmöglichkeiten und auf der Rückseite ein Firmenzeichen mit den Buchstaben "DBK". Da das Ding nicht richtig zu funktionieren schien, konnte ich es auf 4 DM herunterhandeln. Das neue Beutestück wurde zu Hause auseinander­geschraubt und gewissenhaft begutachtet. Seine Ladehemmung ließ sich durch einen Tropfen Öl beheben. Fasziniert von den vielen Hebeln und Rädchen, die selbst meine Fischer-Technik-Kästen übertrafen, beschloss ich, auch weiterhin nach Selbstauslösern zu suchen.

"Wenn Du groß bist, sammelst Du dann richtige Kameras"

Die nächste Station war die Augsburger Straße, in der es nicht weniger als sechs Fotoläden gab. Der An- und Verkauf von Sammlerkameras war hier bereits etabliert und hinterließ in den Geschäften einen Bodensatz an unbeachtetem Zubehör, den ich dankbar durchsuchte. Die explosionsartige Erweiterung meiner Sammlung konnte jetzt nur noch durch meine beschränkten Finanzmittel gezügelt werden. Mit dem spärlichen Taschen­geld eines 13-Jährigen war ich gezwungen, ein Limit von 10 DM zu setzen und so den Ausverkauf von Selbstauslösern in Berlin auf die Jahre hinauszuzögern. "Wenn Du erst einmal groß bist, sammelst Du dann richtige Kameras", so die einhellige Meinung der Fotohändler, die meine Augen ausschließlich mit Kleinkram zum Leuchten brachten.

In den nächsten Jahren interessierte ich mich für fast alles, nur nicht für Kameras. Meine Sammlung war auf etwa 80 Teile angewachsen. Die Ressourcen gingen spürbar zur Neige und eine Sättigung schien erreicht. Mittlerweile besuchte ich gelegentlich auch Fotobörsen und Geschäfte in anderen deutschen Städten und knüpfte Kontakte zu Händlern und anderen Sammlern. Als hilfreich erwies sich eine Suchliste mit Abbildungen von Teilen, die mir noch fehlten. Doch wie soll man etwas abbilden, das man noch nicht kennt? Also musste ich abbilden, was ich schon hatte. Für gute Fotos fehlte mir neben dem nötigen Fachwissen die geeignete Kameraausrüstung. Meine damalige Freundin Carola, gelernte technische Zeichnerin, zauberte mir daraufhin ein paar Abbildungen auf das Reißbrett und lehrte mich, gleiches zu tun. Gemeinsam bastelten wir einen kleinen Katalog zusammen, in dem etwa 100 Selbstauslöser abgebildet oder zumindest beschrieben waren.

Über Umwege erreichte ein Exemplar Herrn Günter M. Salomon in Bamberg, Herausgeber des legendären Magazins "Click & Clack". Seine Begeisterung und Mengen an neuen Informationen motivierte mich zu einer zweiten Auflage meines Katalogs, diesmal mit etwa 150 Teilen. Ein Artikel in seinem Sammlermagazin (Ausgabe 14/1992) ergab eine erfreulich hohe Leserresonanz und mir erstmals das Gefühl, doch noch ein vollwertiges Mitglied der Sammlerszene zu werden. Ungläubige Blicke vieler Händler, gelangweiltes Kopfschütteln oder die Erklärung, Selbstauslöser seien prinzipiell eingebaut, wurden immer seltener.

Die Reisezeit beginnt

Aus der Szene erhielt ich dann auch den Hinweis auf einen Ort, den jeder glaubhafte Sammler zumindest einmal im Leben besucht haben sollte: Bievrés, einer kleinen französischen Gemeinde südlich von Paris mit einem durchweg ländlichen Charakter. Dieser Ort ist Sitz des Musée Français de la Photographie und verwandelt sich einmal im Jahr zur größten Open-Air-Fotobörse Europas, dem Woodstock der Photographie, das hunderte von Händlern sowie tausende von Sammler anlockt. Was ich dort fand, stellte meine bisherigen Eindrücke und Ausbeuten bei weitem in den Schatten: Innerhalb von drei Tagen und zwei nahezu schlaflosen Nächten konnte ich 36 neue Selbstauslöser erbeuten, darunter einen Le Cunctator, einen H. G. Autophotographe und einen Photoperfect.

Bievrés besuchte ich fortan jedes Jahr (siehe auch Tour nach Bievrés). Ansonsten wurden in den 90er Jahren vor allem Fotobörsen in Böblingen, Sindelfingen, Fellbach, Lichtensteig, Houten und London meine liebsten Ziele. (In Nachhinein klingt es ziemlich irre, für ein paar Selbstauslöser so weite Reisen auf sich zu nehmen. Es hat jedoch auch viel Spaß gemacht, da der Jäger- und Sammlertrieb voll ausgelastet wurde und man viele Gleichgesinnte zum Austausch von Anekdoten und Fachsimpelei traf.)

Dieses Foto entstand auf der Berliner Foto-Messe 1998. Ein Mann mit Hut las mir die Ankündigung meiner Sammlungsausstellung aus der Zeitung vor.
Dieses Foto entstand auf der Berliner Foto-Messe 1998. Ein Mann mit Hut las mir die Ankündigung meiner Sammlungsausstellung aus der Zeitung vor.

Sammeln 4.0

Nebenher suchte ich auch Kontakte in die USA. An der Uni hatten wir dafür eine Internet-Standleitung, mit der man mit dem Netscape Navigator erstes Surfen üben konnte, später dann mit dem Microsoft Internet Explorer. Den entscheidenden Hinweis erhielt ich 1998 über ein Foto-Forum: Ebay, da könnte man was finden. Und ich fand was!

Die Erfolgsgeschichte von Ebay ist ja allgemein bekannt und hat auch meine Sammlung entscheidend vorangebracht. Schlagartig stand mir der gesamte US-amerikanische Markt offen und ließ mich Selbstauslöser entdecken, die ich nie zuvor gesehen hatte. In den nächsten Jahren hielt dieser Hype an, zumal sich Ebay zu einer weltweiten Plattform entwickelte und auch das Angebot immer größer wurde. Zehn Neuzugänge im Monat waren keine Seltenheit. Mein Vorhaben einer dritten Ausgabe meines Katalogs rückte damit in weite Ferne. Parallel dazu wurden die klassischen Fotobörsen für mich immer unspektakulärer, sodass ich schon aufgrund der Fahrerei überwiegend auf „online" umschwenkte.

Neue Wege

Über die Jahre haben sich für mich jedoch auch online-Auktionen ausgereizt. Die Keller und Dachböden dieser Welt scheinen komplett geräumt zu sein. Und natürlich ist auch eine Sättigung zu spüren. Nach über 40 Jahren des enthusiastischen Sammelns ist es deutlich schwieriger geworden, noch einen Selbstauslöser zu bekommen, der mich überraschen könnte.

Zum Glück bietet das heutige Internet sehr viel mehr als das schnöde Bestellen von Zeugs vom heimischen Schreibtisch aus: Informationen. Die Digitalisierung von Schriften und Büchern schreitet unaufhaltsam voran und eröffnet neue Möglichkeiten, zum Beispiel DEPATISnet für Patentrecherche oder etwa Google books. Langeweile kommt also nicht auf, wenn man zu seinen Selbstauslösern nun auch flächendeckend Hintergrundwissen sammeln kann.

In Anbetracht des digitalen Zeitalters habe ich den ursprünglichen Plan, meinen Katalog neu aufzulegen, nun im Herbst 2012 in Form dieser Site verwirklicht. So kann ich die nächsten Jahre ohne Redaktionsschluss weiter daran herumbasteln.